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Stellungnahme "Datenschutz sichert freie politische Willensbildung" vom 21. Juni 2023

DSK-Positionierung zur Absicherung der Einwilligung durch gesetzliche Flankierungen im Zusammenhang mit dem Verordnungsvorschlag über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung

Demokratische Wahlen und freie Informationsgewinnung werden auch in der Europäischen Union Ziel von Manipulationsversuchen. Dabei spielt die zielgerichtete Adressierung von Wahlwerbung mithilfe von Targeting- und Amplifizierungs- Technologien1 eine immer bedeutendere Rolle. Gerade auf Online-Plattformen, deren Nutzung zum Alltag der meisten Menschen gehört, können Nutzer:innen besonders leicht auf ihre Empfänglichkeit für bestimmte Inhalte analysiert und entsprechend effektiv erreicht werden. Auf diese Weise kann ein- und die:derselbe Werbende je nach Zielgruppe unterschiedliche – oder gar sich widersprechende – Botschaften verbreiten. Das Risiko der Fehlinformationen, der Polarisierung und Fragmentierung der öffentlichen Debatte sowie der gezielten Manipulation von Wählerinnen und Wählern ist entsprechend hoch. Grundlage für die Anwendung dieser Technologien ist dabei immer die Verarbeitung personenbezogener Daten. Effektiver Datenschutz ist für die Sicherung eines freien politischen Meinungsbildungsprozesses daher unerlässlich, da er die Basis dafür bietet, dass Grundrechte überhaupt erst ausgeübt und wahrgenommen werden können.

Diese gesamte Thematik ist Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zur Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung auf EU- Ebene, das sich derzeit im Trilog-Verfahren befindet. Für die datenschutzrechtlichen Regelungen zum Targeting und zur Amplifizierung liegen verschiedene Entwürfe auf dem Tisch. Das Europäische Parlament schlägt Regelungen vor, wonach auf Targeting beruhende Verfahren zum Ausspielen von politischen Werbeanzeigen – auch mit Einwilligung der einzelnen Nutzer:innen – nur in engen Grenzen zulässig sind.2 So sollen Verfahren zum Targeting und zur Anzeige von Werbung, die im Zusammenhang mit politischen Werbedienstleistungen mit einer Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) einhergehen, ganz verboten sein. Ansonsten sollen für ebenjene Verfahren nur personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen, die von der betroffenen Person mit ihrer Einwilligung ausdrücklich zum alleinigen Zwecke politischer Online-Werbung zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen Online-Plattformen politische Anzeigen nicht auf der Grundlage einer weiteren Verarbeitung personenbezogener Daten selektiv, sondern nur zufällig innerhalb einer angepeilten potenziellen Zielgruppe anzeigen dürfen. Zudem sollen sich die Verfahren nur noch auf maximal vier miteinander kombinierbare Datenkategorien stützen dürfen und es werden Regelungen zur Mindestgröße der Zielgruppe getroffen, die abhängig vom Zeitraum bis zu einer Wahl variieren.

Das Europäische Parlament schlägt damit gesetzliche Regelungen vor, die die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit den Verfahren zum Targeting und zur Anzeige von Werbung im Internet in ihrer Komplexität und Eingriffstiefe so regulieren sollen, dass die Datenverarbeitungsrisiken stark reduziert werden. In diesem gesetzlich abgesicherten und für die Betroffenen überschaubareren Rahmen können diese die Verarbeitung ihrer Daten mit der Einwilligung steuern. Diese Regelungsvorschläge können beispielgebend auch für andere manipulative Werbeanwendungen sein.

Targeting- und Amplifizierungstechniken beinhalten sehr komplexe Datenverarbeitungen – meist durch eine Vielzahl von Akteuren. Hier hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Einwilligung der Betroffenen in vielen Situationen als wirksames Mittel zur Kontrolle und Steuerung der Verarbeitung personenbezogener Daten an Grenzen stößt. Die Konsequenzen sind für die allermeisten Menschen weder abschätzbar noch besteht die Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Datenverarbeitung tatsächlich an ihre ablehnende oder einschränkende Entscheidung angepasst wird. Das Europäische Parlament spricht mit Blick auf die Einwilligung zum Zwecke zielgerichteter Werbung daher von einem „systematischen Missbrauch“;3 eine selbstbestimmte informierte Einwilligung in die Datenverarbeitung wird damit oft zur Fiktion.

Bereits beim Digital Services Act hat der EU-Gesetzgeber daher begonnen, Datenverarbeitungen zu Werbezwecken durch Online-Plattformen gesetzlich zu regulieren, insbesondere indem ein Profiling unter Verwendung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten nach Artikel 9 Absatz 1 DSGVO untersagt wurde.

Dieser Weg einer gesetzlichen Regulierung sollte auch bei dem Verordnungsentwurf über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung konsequent weitergegangen werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt die DSK die Stoßrichtung des Europäischen Parlaments zu dieser Thematik. Die DSK regt gegenüber den Trilogparteien daher an, die freie Entscheidung über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten durch gesetzliche Flankierungen so abzusichern, dass die in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 EUGRCh primärrechtlich verankerte Einwilligung als Instrument der informationellen Selbstbestimmung wieder Wirksamkeit entfalten kann.

 


1 Nach Art. 2 Nr. 8 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (COM(2021)0731 – C9-0433/2021 – 2021/0381(COD) werden Verfahren zum Targeting oder Amplifizieren verwendet, um eine maßgeschneiderte politische Anzeige nur an eine bestimmte Person oder Personengruppe zu richten oder um den Umlauf, die Reichweite oder die Sichtbarkeit einer politischen Anzeige zu erhöhen.

2 Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 2. Februar 2023 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (COM(2021)0731 – C9-0433/2021 – 2021/0381(COD)), Vorschlag für einen Art. -12 und Art. 12.

3 A.a.O., Vorschlag für einen Erwägungsgrund 47a.

DSK-Positionierung zur Absicherung der Einwilligung durch gesetzliche Flankierungen im Zusammenhang mit dem Verordnungsvorschlag über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung

Demokratische Wahlen und freie Informationsgewinnung werden auch in der Europäischen Union Ziel von Manipulationsversuchen. Dabei spielt die zielgerichtete Adressierung von Wahlwerbung mithilfe von Targeting- und Amplifizierungs- Technologien1 eine immer bedeutendere Rolle. Gerade auf Online-Plattformen, deren Nutzung zum Alltag der meisten Menschen gehört, können Nutzer:innen besonders leicht auf ihre Empfänglichkeit für bestimmte Inhalte analysiert und entsprechend effektiv erreicht werden. Auf diese Weise kann ein- und die:derselbe Werbende je nach Zielgruppe unterschiedliche – oder gar sich widersprechende – Botschaften verbreiten. Das Risiko der Fehlinformationen, der Polarisierung und Fragmentierung der öffentlichen Debatte sowie der gezielten Manipulation von Wählerinnen und Wählern ist entsprechend hoch. Grundlage für die Anwendung dieser Technologien ist dabei immer die Verarbeitung personenbezogener Daten. Effektiver Datenschutz ist für die Sicherung eines freien politischen Meinungsbildungsprozesses daher unerlässlich, da er die Basis dafür bietet, dass Grundrechte überhaupt erst ausgeübt und wahrgenommen werden können.

Diese gesamte Thematik ist Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zur Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung auf EU- Ebene, das sich derzeit im Trilog-Verfahren befindet. Für die datenschutzrechtlichen Regelungen zum Targeting und zur Amplifizierung liegen verschiedene Entwürfe auf dem Tisch. Das Europäische Parlament schlägt Regelungen vor, wonach auf Targeting beruhende Verfahren zum Ausspielen von politischen Werbeanzeigen – auch mit Einwilligung der einzelnen Nutzer:innen – nur in engen Grenzen zulässig sind.2 So sollen Verfahren zum Targeting und zur Anzeige von Werbung, die im Zusammenhang mit politischen Werbedienstleistungen mit einer Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) einhergehen, ganz verboten sein. Ansonsten sollen für ebenjene Verfahren nur personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen, die von der betroffenen Person mit ihrer Einwilligung ausdrücklich zum alleinigen Zwecke politischer Online-Werbung zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen Online-Plattformen politische Anzeigen nicht auf der Grundlage einer weiteren Verarbeitung personenbezogener Daten selektiv, sondern nur zufällig innerhalb einer angepeilten potenziellen Zielgruppe anzeigen dürfen. Zudem sollen sich die Verfahren nur noch auf maximal vier miteinander kombinierbare Datenkategorien stützen dürfen und es werden Regelungen zur Mindestgröße der Zielgruppe getroffen, die abhängig vom Zeitraum bis zu einer Wahl variieren.

Das Europäische Parlament schlägt damit gesetzliche Regelungen vor, die die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit den Verfahren zum Targeting und zur Anzeige von Werbung im Internet in ihrer Komplexität und Eingriffstiefe so regulieren sollen, dass die Datenverarbeitungsrisiken stark reduziert werden. In diesem gesetzlich abgesicherten und für die Betroffenen überschaubareren Rahmen können diese die Verarbeitung ihrer Daten mit der Einwilligung steuern. Diese Regelungsvorschläge können beispielgebend auch für andere manipulative Werbeanwendungen sein.

Targeting- und Amplifizierungstechniken beinhalten sehr komplexe Datenverarbeitungen – meist durch eine Vielzahl von Akteuren. Hier hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Einwilligung der Betroffenen in vielen Situationen als wirksames Mittel zur Kontrolle und Steuerung der Verarbeitung personenbezogener Daten an Grenzen stößt. Die Konsequenzen sind für die allermeisten Menschen weder abschätzbar noch besteht die Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Datenverarbeitung tatsächlich an ihre ablehnende oder einschränkende Entscheidung angepasst wird. Das Europäische Parlament spricht mit Blick auf die Einwilligung zum Zwecke zielgerichteter Werbung daher von einem „systematischen Missbrauch“;3 eine selbstbestimmte informierte Einwilligung in die Datenverarbeitung wird damit oft zur Fiktion.

Bereits beim Digital Services Act hat der EU-Gesetzgeber daher begonnen, Datenverarbeitungen zu Werbezwecken durch Online-Plattformen gesetzlich zu regulieren, insbesondere indem ein Profiling unter Verwendung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten nach Artikel 9 Absatz 1 DSGVO untersagt wurde.

Dieser Weg einer gesetzlichen Regulierung sollte auch bei dem Verordnungsentwurf über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung konsequent weitergegangen werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt die DSK die Stoßrichtung des Europäischen Parlaments zu dieser Thematik. Die DSK regt gegenüber den Trilogparteien daher an, die freie Entscheidung über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten durch gesetzliche Flankierungen so abzusichern, dass die in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 EUGRCh primärrechtlich verankerte Einwilligung als Instrument der informationellen Selbstbestimmung wieder Wirksamkeit entfalten kann.

 


1 Nach Art. 2 Nr. 8 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (COM(2021)0731 – C9-0433/2021 – 2021/0381(COD) werden Verfahren zum Targeting oder Amplifizieren verwendet, um eine maßgeschneiderte politische Anzeige nur an eine bestimmte Person oder Personengruppe zu richten oder um den Umlauf, die Reichweite oder die Sichtbarkeit einer politischen Anzeige zu erhöhen.

2 Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 2. Februar 2023 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (COM(2021)0731 – C9-0433/2021 – 2021/0381(COD)), Vorschlag für einen Art. -12 und Art. 12.

3 A.a.O., Vorschlag für einen Erwägungsgrund 47a.