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Landesbeauftragte stellt Tätigkeitsbericht Akteneinsicht 2020/2021 vor

- Erschienen am 23.05.2022 - Pressemitteilung 07/2022

Heute überreicht die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, Dagmar Hartge, der Präsidentin des Landtages Brandenburg, Prof. Dr. Ulrike Liedtke, ihren Tätigkeitsbericht zur Akteneinsicht für die Jahre 2020 und 2021.

In den beiden Berichtsjahren beschwerten sich Antragstellerinnen und Antragsteller in insgesamt 203 Fällen über unvollständige oder verweigerte Akteneinsichten. Infrastrukturmaßnahmen aber auch Angelegenheiten der internen Verwaltung oder der Justizbehörden standen dabei im Vordergrund. Zu verzeichnen war auch ein innerhalb des Berichtszeitraums zunehmendes Interesse an gesundheitsbezogenen Informationen – insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum stieg der Anteil der Beschwerden bei der Landesbeauftragten um etwa 56 % (2018/2019: 130 Beschwerden). Im Rahmen unserer Statistik (V 1 - 3, Seite 60) erfassen wir auch die Gründe, an denen Anträge auf Akteneinsicht scheitern, sowie rechtliche Aspekte, die sich im Beschwerdeverfahren als problematisch erweisen. Bereits in den Vorjahren war zu erkennen, dass die in der Regel einmonatige Bescheidungsfrist nur in unzureichendem Umfang eingehalten wird. In den beiden Pandemiejahren hat sich dies zum häufigsten Praxisproblem entwickelt. Auch weiterhin haben Verwaltungen Schwierigkeiten, zu erkennen, ob das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz überhaupt anwendbar ist oder ob andere Rechtsgrundlagen greifen. Immer häufiger ist bereits die Existenz von Unterlagen strittig, d. h. es werden Informationen beantragt, von denen gar nicht klar ist, ob sie überhaupt vorhanden sind. Dagmar Hartge:Wer einen Antrag auf Akteneinsicht stellt, muss ihn hinreichend bestimmen, weiß aber oft nicht, welche Unterlagen genau bei einer Behörde vorhanden sind, geschweige denn, wie ihre exakte Bezeichnung lautet. Die Verwaltung muss Antrag stellende Personen deshalb unterstützen und darlegen, welche Informationen vorhanden sind. Das setzt ein Mindestmaß an Kommunikation voraus. Einfach mal zum Telefonhörer zu greifen, trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden und die Bearbeitung zu beschleunigen. Das gilt übrigens für beide Seiten.

Wer einen Antrag auf Akteneinsicht stellt, muss ihn hinreichend bestimmen, weiß aber oft nicht, welche Unterlagen genau bei einer Behörde vorhanden sind, geschweige denn, wie ihre exakte Bezeichnung lautet. Die Verwaltung muss Antrag stellende Personen deshalb unterstützen und darlegen, welche Informationen vorhanden sind. Das setzt ein Mindestmaß an Kommunikation voraus. Einfach mal zum Telefonhörer zu greifen, trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden und die Bearbeitung zu beschleunigen. Das gilt übrigens für beide Seiten.

Im Gegensatz zu den weitreichenden Befugnissen auf dem Gebiet des Datenschutzes kommen der Landesbeauftragten in ihrer Zuständigkeit für die Akteneinsicht vorwiegend vermittelnde und beratende Kompetenzen zu. Stellt sie Verstöße gegen das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz fest, beanstandet sie diese. Bindende Weisungen kann sie jedoch nicht erteilen. Im Berichtszeitraum hat die Landesbeauftragte in sieben Fällen eine Beanstandung ausgesprochen.

Eine Amtsverwaltung war der Auffassung, dass Niederschriften von Sitzungen der Vertretung einer amtsangehörigen Gemeinde keinesfalls ohne Schwärzung der Namen der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter herausgegeben werden dürfen (III 5, Seite 26). Es ging ausschließlich um Protokolle solcher Sitzungen, die ohnehin öffentlich stattgefunden hatten. Für die Aussonderung der personenbezogenen Daten verlangte das Amt fast 200 Euro. Wir waren der Auffassung, dass es sich bei Mitgliedern einer kommunalen Vertretung um Amtsträgerinnen und Amtsträger im Sinne des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes handelt. Der Offenbarung ihrer Namen steht der Datenschutz nur in seltenen Ausnahmefällen entgegen. Eine solche Ausnahme vermochten wir nicht zu erkennen. Die Amtsverwaltung argumentierte zudem mit einer unseres Erachtens nicht übertragbaren Rechtsprechung aus einem ganz anderen Fachgebiet und hielt die Schwärzung und die Kostenerhebung aufrecht. Allerdings machte sie auch keine Anstalten, die betroffenen Personen nach ihrer Zustimmung zu fragen – mindestens dies hätte sie tun müssen, wenn die Daten unter den geltend gemachten Ablehnungstatbestand des Gesetzes gefallen wären. Eine Annährung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen gelang im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht. Die Landesbeauftragte beanstandete Verstöße gegen das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz und empfahl die Rückerstattung der bereits bezahlten Gebühren. Dagmar Hartge: 

Es widerspricht der Öffentlichkeit der Sitzungen von Gemeindevertretungen, diese durch eine anschließende Schwärzung von Protokollen gleich wieder zu unterlaufen. Die Arbeit der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter muss für die Bürgerinnen und Bürger nach den Sitzungen nachvollziehbar bleiben. Meinungen, die in öffentlichen Sitzungen vertreten werden, sind schließlich keine Privatangelegenheit. Es ist nicht Zweck des Datenschutzes, sie geheim zu halten. 

Dass bereits eine unzureichende Kommunikation den Informationszugang erschwert, zeigt der folgende Fall: Der Antragsteller interessierte sich für eine viele Jahre zurückreichende Akte zu einem Hafenbauwerk (III 4, Seite 22). Die zuständige Stadtverwaltung reagierte auf den Antrag zunächst nicht. In der Folge ergab sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen uns und der Behörde. Letztere erläuterte zunächst, den Antrag ablehnen zu wollen, weil die Berücksichtigung schutzbedürftiger Daten in den unsortierten Unterlagen unverhältnismäßig aufwendig und die Einsichtnahme vor Ort aus Pandemiegründen nicht möglich sei. Erst nach Erteilung entsprechender Hinweise durch uns informierte sie den Antragsteller über die Ablehnungsgründe – allerdings in einer sehr pauschalen und damit wenig nachvollziehbaren Weise. Sie bot ihm an, Fragen zu beantworten, um einerseits dem Informationsbedürfnis entsprechen, andererseits aber den Aufwand reduzieren zu können. Anschließend teilte sie uns mit, die Sache sei damit erledigt. Tatsächlich war sie das aber nicht. Die Fragen des Antragstellers richteten sich nämlich auf ganz konkrete Angaben wie beispielsweise auf das Datum der Bauantragstellung und des Baubeginns. In ihrer Antwort erläuterte die Stadtverwaltung hingegen das Datum für die wasserrechtliche Genehmigung und eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis. Nachdem sich die Landesbeauftragte vergeblich um eine Klärung der Angelegenheit bemüht hatte, die Behörde uns aber nicht mehr antwortete, sprach sie eine Beanstandung aus. 

Über die Plattform fragdenstaat.de erhielt eine Sparkasse ein recht umfangreiches Einsichtsbegehren. Der Antragsteller interessierte sich unter anderem für die individuellen Bezüge der Vorstandsmitglieder, für Einzelheiten des Sponsorings durch die Sparkasse sowie für von ihr geförderte Vorhaben und Projekte. Außerdem wollte er wissen, wer von einem Lotterie-

Sparprogramm profitiert und welche gemeinnützigen Zwecke in welcher Höhe das Kreditinstitut gefördert hat. Zudem fragte er nach verschiedenen Angaben zum Finanzgebaren der Sparkasse. Schließlich erkundigte er sich nach der Höhe der von der Sparkasse ausgereichten Spendengelder und bat um Nennung der auf diese Weise Geförderten (III 7, Seite 35). Auf seinen Antrag erhielt er lediglich eine automatische Eingangsbestätigung und hörte von der Anstalt des öffentlichen Rechts danach nichts mehr. Während wir uns zunächst lediglich darum bemühten, dass diese den Antrag überhaupt bearbeitet, entwickelte sich im weiteren Verlauf des übrigens recht zähen Beschwerdeverfahrens ein umfangreicher Austausch der unterschiedlichen Rechtspositionen. Während die Sparkasse einen Teil der beantragten Informationen im Ergebnis unserer Beratung offenlegte, überzeugte sie uns, dass in einigen Fällen gesetzliche Ausnahmetatbestände dies nicht zulassen. Beispielsweise können Bezüge von Vorstandsmitgliedern aus Datenschutzgründen nur mit deren Zustimmung offenbart werden. Auch akzeptierten wir letztendlich Angaben zum Sponsoring als wettbewerbsrelevante Information – das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gilt für Sparkassen nicht, soweit sie am Wettbewerb teilnehmen. Unterschiedlich bewertet haben wir jedoch den Umgang mit den Spendengeldern bzw. den Personen und Einrichtungen, die jene Spenden erhalten haben. Nach mehrfach wechselnden Ablehnungsgründen legte sich die Sparkasse darauf fest, dass der Offenbarung der Spendenempfängerinnen und
-empfänger das Bankgeheimnis entgegenstehe. Uns erschloss sich dies jedoch nicht. Das Bankgeheimnis bezweckt zwar die Verschwiegenheit über kundenbezogene Daten. Ob die fraglichen Spendenempfängerinnen und -empfänger möglicherweise Kundenkonten bei der Sparkasse unterhielten, war für die Beantwortung der Anfrage unseres Erachtens jedoch völlig irrelevant. Es ging alleine darum, wer wofür Spenden erhalten hatte. Die Berufung auf die vorrangige Geheimhaltungsvorschrift des Bankgeheimnisses stellte somit einen Verstoß gegen das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz dar, den Frau Hartge beanstandete.

Es wäre eine große Überraschung gewesen, hätte sich die Covid-19-Pandemie im Berichtszeitraum nicht auch auf die Akteneinsicht ausgewirkt. Allerdings ging es in unseren Beratungen und Beschwerdeverfahren während der beiden zurückliegenden Pandemiejahre weniger um die täglichen Infektionszahlen, deren territoriale Verteilung oder andere tagesaktuelle Informationen. Vielmehr interessierte sich die Öffentlichkeit auf diesem Wege eher für konkrete Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie.

Bereits in der ersten Phase der Pandemie hatte ein Infektionsausbruch im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann dramatische Folgen. Um diese aufzuklären, erstellte das Robert-Koch-Institut im Rahmen eines Amtshilfeersuchens einen Untersuchungsbericht, welcher der Landeshauptstadt Potsdam vorlag (IV 6, Seite 52). Einen Antragsteller versuchte sie zunächst auf das ebenfalls involvierte Gesundheitsministerium zu verweisen und teilte mit, welche Gründe der Offenlegung des Berichts ihres Erachtens entgegenstünden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens machte die Stadtverwaltung so ziemlich alle Ablehnungsgründe des Gesetzes geltend. Beispielsweise führte sie personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Belange der Strafverfolgung, die Durchführung eines behördlichen Verfahrens sowie vorrangige Geheimhaltungsvorschriften an. Wir forderten eine nachvollziehbare Begründung. Schließlich beschränkte sich die Behörde auf – vom Gesetz gar nicht vorgesehene – betriebsinterne Daten sowie auf Gesundheitsdaten. Wiederum fehlte eine Erläuterung, die uns auch nur annähernd verstehen ließ, worin die Bedenken bestanden. Später kamen auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wieder ins Spiel – als in einem Ermittlungsverfahren vorgesehenes Beweismittel könne der Bericht auch geschwärzt nicht herausgegeben werden. Informationen über den Kontext, die nötig gewesen wären, um die Angelegenheit informationszugangsrechtlich einzuordnen, fehlten wiederum. Außerdem äußerten wir den Eindruck, dass die umfangreiche Medienberichterstattung zu der Thematik nicht mehr viele Geheimnisse übrig ließ. Daraufhin hieß es, der Bericht würde herausgegeben; allerdings machte die 

Stadt schnell wieder einen Rückzieher und behauptete das Gegenteil – erneut wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Auf unser Anraten hin beteiligte die Landeshauptstadt schließlich die Staatsanwaltschaft sowie das betroffene Klinikum und gab anderthalb Jahre nach Antragstellung grünes Licht. Dagmar Hartge:

Immer wieder versuchen öffentliche Stellen, Anträge mit einem wahren Ablehnungsgewitter vom Tisch zu bekommen. Das ist der Versuch, möglichst viele Ablehnungsgründe geltend zu machen, um im Ergebnis dann vielleicht eine passende Vorschrift zu erwischen. Der Verpflichtung, eine Ablehnung nachvollziehbar zu begründen, entspricht ein solch pauschales Vorgehen jedoch nicht. Antragstellerinnen und Antragsteller wollen verstehen, weshalb genau eine Information nicht offengelegt werden kann. Und meine Behörde kann ohne eine ordnungsgemäße Begründung nicht effektiv kontrollieren.

Nachdem in den Medien darüber berichtet wurde, dass eine Stadtverwaltung ein privates Sicherheitsunternehmen einsetzt, um die Ansammlungs- und Kontaktverbote im öffentlichen Raum zu kontrollieren, interessierte sich ein Antragsteller für den entsprechenden Vertrag sowie für Handlungsanweisungen, die den Einsatz des Unternehmens regeln (IV 4, Seite 46). Die Stadt lehnte den Antrag ab und berief sich unter anderem auf das angebliche Recht des Unternehmens, die Offenlegung der Informationen zu verweigern. Auf die genauen gesetzlichen Ablehnungsgründe legte sich die Stadtverwaltung zunächst nicht fest, nannte im weiteren Verlauf des Verfahrens jedoch eine Vorschrift, die unter anderem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schützt. Während die Behörde meinte, das Unternehmen könne frei entscheiden, welche Informationen es preisgibt, waren wir der Auffassung, dass sich der Schutzbedarf auf festgestellte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränkt. Zwar ist das Unternehmen anzuhören, damit die Behörde diese Feststellung treffen kann. Die Entscheidung trifft jedoch die Behörde, nicht das betroffene Unternehmen. Die Auffassung der Stadt wäre vor zehn Jahren noch gerechtfertigt gewesen, inzwischen hat der Gesetzgeber das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz jedoch entsprechend geändert – was die Stadtverwaltung uns gegenüber bestritt. Nachdem der Antragsteller Klage eingereicht hatte, ließen wir unsere Vermittlungsbemühungen ruhen. Im Ergebnis des Gerichtsverfahrens wurde der Vertrag mit einigen Schwärzungen herausgegeben.

Einem Ergebnis der Evaluierung des Umweltinformationsgesetzes des Bundes folgend, hat der Bundesgesetzgeber dem Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit im Berichtszeitraum ausdrücklich die Befugnis gegeben, die Einhaltung des (recht weitreichenden) Umweltinformationsrechts zu kontrollieren (I, Seite 8). Auch in einigen Bundesländern gibt es bereits ähnliche Regelungen. Die Landesbeauftragte hat dies zum Anlass genommen, erneut die Anpassung des brandenburgischen Landesrechts anzuregen (II, Seite 14). Eine Reaktion der Landesregierung steht jedoch bislang aus. Es bleibt also auf unabsehbare Zeit dabei: Auf dem Gebiet des Umweltinformationsrechts dürfen wir weder beraten noch kontrollieren. Für Antragstellerinnen und Antragsteller bedeutet dies bedauerlicherweise, dass wir ihnen in vielen Fällen keine Unterstützung anbieten können.

Der Tätigkeitsbericht Akteneinsicht 2020/2021 steht in unserem Internetangebot unter der Rubrik Service/Tätigkeitsberichte zum Herunterladen zur Verfügung.