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Beschluss: Geplante Einführung eines regelmäßigen vollständigen Meldedatenabgleichs zum Zweck des Einzugs des Rundfunkbeitrags stoppen

Stand: 26. April 2019

Zukünftig sollen nach einem Referentenentwurf zur Änderung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) regelmäßig alle vier Jahre Meldedaten sämtlicher volljähriger Personen an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt zur Sicherstellung der Aktualität des dortigen Datenbestandes übermittelt werden. Gemäß Art. 1 Ziffer 7 dieses Entwurfs des 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 5. Februar 2019 zählen zu den Meldedaten neben Namen und gegenwärtiger und letzter Anschrift insbesondere auch Geburtstag, Titel, Familienstand sowie die genaue Lage der Wohnung.

Bereits der im Jahr 2013 durchgeführte vollständige Meldedatenabgleich war seinerzeit auf erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken gestoßen (vgl. Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) vom 11. Oktober 2010). Die DSK stellte ihre Bedenken nur deshalb teilweise zurück, weil lediglich ein einmaliger Meldedatenabgleich vorgenommen werden sollte, um den Start in das neue Beitragsmodell zu erleichtern. Mit der nun vorgesehenen Regelung wären die - bereits damals zweifelhaften - Zusicherungen des Gesetzgebers, dass es sich bei den anlasslosen vollständigen Meldedatenabgleichen aus den Jahren 2013 und 2018 um einmalige Vorgänge handeln würde, endgültig hinfällig.

Gegen die geplante Einführung eines regelmäßigen vollständigen Meldedatenabgleichs bestehen weiterhin grundlegende verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Bedenken.

Ein solcher Abgleich stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar und gerät in Konflikt mit den Grundsätzen der Datenminimierung und der Erforderlichkeit gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a und c, Art. 6 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO).

Bei einem vollständigen Meldedatenabgleich werden in großem Umfang personenbezogene Daten von Betroffenen, die überhaupt nicht beitragspflichtig sind, weil sie entweder in einer Wohnung leben, für die bereits durch andere Personen Beiträge gezahlt werden oder weil sie von der Beitragspflicht befreit sind, an die Rundfunkanstalten übermittelt und von diesen verarbeitet. Zudem werden auch Daten von all denjenigen Einwohnerinnen und Einwohnern erhoben und verarbeitet, die sich bereits bei der Landesrundfunkanstalt angemeldet haben und regelmäßig ihre Beiträge zahlen. Dabei betrifft der geplante Meldedatenabgleich mehr personenbezogene Daten, als die Beitragszahlerinnen und -zahler bei der Anmeldung mitteilen müssen, z.B. Doktorgrad und Familienstand (vgl. § 8 Abs. 4 RBStV). Es sollen also personenbezogene Daten an die Rundfunkanstalten übermittelt werden, die nicht zur Beitragserhebung notwendig sind.

Die Meldedaten-Übermittlungsverordnungen der Länder bieten mit der anlassbezogenen Meldedatenübermittlung an die Rundfunkanstalten bereits eine angemessene und ausreichende Möglichkeit, die Aktualität des Datenbestandes des Beitragsservices auch bei Veränderungen der Meldesituation der Beitragsschuldnerinnen und Beitragsschuldner zu gewährleisten. Auch wenn die Meldebehörden in Einzelfällen eine Änderungsmitteilung unterlassen sollten, würde ein erneuter vollständiger Meldedatenabgleich in unverhältnismäßiger Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beitragsschuldner eingreifen, ohne dass dies durch andere Gesichtspunkte, etwa das Ziel der Gebührengerechtigkeit, gerechtfertigt wäre.

Die Landesrundfunkanstalten gehen selbst davon aus, dass ein vollständiger Meldedatenabgleich letztlich in weniger als einem Prozent der Fälle zu einer zusätzlichen, dauerhaften Anmeldung von Beitragspflichtigen führt (vgl. Evaluierungsbericht der Länder gem. § 14 Abs. 9a RBStV vom 20. März 2019).

Die geplanten Regelungen berücksichtigen zudem die Maßstäbe der DS-GVO nicht ausreichend. Nationale Datenschutzvorschriften müssen aufgrund des Anwendungsvorrangs europäischer Verordnungen auf eine Öffnungsklausel der DS-GVO gestützt werden können. Art. 85 Abs. 2 DS-GVO ist nicht einschlägig, da die Datenverarbeitung zum Zweck des Einzugs des Rundfunkbeitrags nicht in dem Anwendungsbereich dieser Norm liegt. Bei Regelungen, die auf die Öffnungsklausel nach Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO gestützt werden, sind die Grundsätze der Datenminimierung und Erforderlichkeit zu beachten. Mitgliedstaatliche Regelungen für die Erfüllung von Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen, dürfen danach eingeführt werden, wenn diese die DS-GVO zwar präzisieren, nicht aber deren Grenzen überschreiten. Regelungen, die sich auf diese Öffnungsklausel beziehen, müssen sich folglich in dem Rahmen halten, den die DS-GVO vorgibt. Hier bestehen erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Grundsätze der Datenminimierung und der Erforderlichkeit.

Positiv hervorzuheben ist zwar, dass die bisherige Vermieterauskunft im Hinblick auf Mietwohnungen aus § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 RBStV gestrichen werden soll. Ebenso soll der Ankauf von Adressdaten von Privatpersonen ausdrücklich ausgeschlossen werden. Beide Datenverarbeitungen sind aus Sicht des Datenschutzes kritisch zu sehen und ihre Streichung ist zu begrüßen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass mit dem geplanten regelmäßigen vollständigen Meldedatenabgleich eine weitaus umfassendere, datenschutzrechtlich ebenfalls sehr bedenkliche Möglichkeit der Datenerhebung geschaffen werden soll, die das praktische Bedürfnis der Vermieterauskunft und des Ankaufs privater Adressen ohnehin entfallen lässt.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder fordert, den geplanten regelmäßigen vollständigen Meldedatenabgleich nicht einzuführen, da gegen die vorgesehenen Regelungen grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und diese die Maßstäbe der DS-GVO nicht ausreichend berücksichtigen.